Mittwoch, 6. Februar 2013

Zero Dark Thirty (Der dritte Mann)


Die offizielle Wahrheit besagt, dass Osama bin Laden nach einer fast zehnjährigen Suche ausfindig gemacht und im Mai 2011 von einer US-Spezialeinheit erschossen wurde. Diese Geschehnisse schildert Zero Dark Thirty und beginnt dabei an "9/11", mit einem schwarzen Bild. Telefongespräche wegen des ersten Flugzeuges sind zu hören, aber nichts ist zu sehen. Die Zwillingstürme des World Trade Centers werden nicht gezeigt, wie auch Osama bin Laden weitgehend ohne Gesicht bleibt. Auf die berühmtesten Bilder des letzten Jahrzehnts verzichtet Regisseurin Kathryn Bigelow und wendet sich dem zu, wovon es keine Aufnahmen gibt. Der Großteil der zweieinhalb Stunden handelt von CIA-Agenten auf der mühseligen Bin-Laden-Jagd, insbesondere von Maya (Jessica Chastain). Kurz nach den Anschlägen vom 11. September besucht sie ein Geheimgefängnis, wo sie Dan (Jason Clarke) trifft, der der "enhanced interrogation" frönt und Informationen aus Häftlingen herauszufoltern versucht. Über das drastische Vorgehen gerät Maya nur kurz aus der Fassung, dann ist es auch für sie Alltag.

Der Film folgt Maya durch die Jahre ihrer Ermittlungen und Befragungen, reale Terrortaten werden aufgegriffen und immer wieder der Schauplatz gewechselt. Eine Übersicht wäre ohne Jahres- und Ortseinblendungen schwer, Zusammenhänge, Rückschläge oder Durchbrüche der Jagd werden nicht immer deutlich - diese Struktur spiegelt die Suche nach der Nadel im islamistischen Heuhaufen wider. Die Charaktere bleiben in Zero Dark Thirty ebenfalls schwer fassbar: Persönliche Details werden, wenn überhaupt, nebensächlich vermittelt, die CIA bestimmt das Dasein, die Terroristenhatz ist zur Lebensaufgabe geworden. Teil des allumfassenden Jobs ist Folter, von ganz oben verordnet. Gezeigt werden Waterboarding und anderes in deutlichen, obschon nicht zu verstörenden Bildern, die Hauptfiguren setzen sich mit ihrem Tun nicht auseinander. Der Film entzieht sich einer klaren moralischen Stellungnahme, entsprechende Äußerungen von Protagonisten lassen sich unterschiedlich auslegen.

Osama bin Ladens Aufenthaltsort scheint schlussendlich gefunden und er soll erledigt werden, weswegen Special Forces mit Hubschraubern des Nachts ausrücken. Es folgt als Finale eine ausgeprägte Actionszene, untermalt von extrem bassigen Rotorengeräuschen und Explosionen. Doch das Verhalten der Soldaten ist das genaue Gegenteil: Leise und ruhig gehen sie vor, mit Nachtsichtgeräten und schallgedämpften Einzelschüssen - keine Hollywood-Schießerei, mit einem passend unspektakulären Ausgang.

Zero Dark Thirty schafft es, die im Kern allgemein bekannte Geschichte fesselnd zu erzählen. Ob die Herangehensweise in einer Art dramatisierten Dokumentation angemessen ist, gibt Anlass zur Diskussion. Es ist nicht zu übersehen, dass der Film das amerikanische Publikum nicht aufregen, sondern oberflächlich wertfrei ein traumatisierendes Kapitel moderner US-Geschichte bildlich festhalten und gleichzeitig abschließen soll. Im Zusammenspiel mit der oft bruchstückhaften Figurenzeichnung mag sich daher Distanz beim skeptischen Zuschauer einstellen. Kritik schimmert dann aber doch stärker durch: So hat Dan irgendwann genug von seinem Tagewerk - wenn auch diffus begründet - und Folter führt nie zu den wichtigen Erkenntnissen. Die Protagonisten werden dabei aus der Schusslinie genommen (z.B. wird Abu Ghraib nur namentlich erwähnt), die Vorgesetzten und schlussendlich die Regierungsdoktrin geben das Ziel vor: Bringt uns Leute zum Töten. So viel zur Rechtsstaatlichkeit, trotzdem erledigen die Agenten pflichtbewusst ihre Arbeit, können sie irgendwann gar nicht mehr hinterfragen, zu viel Zeit und Blut ist investiert worden.

Kathryn Bigelow schaut also auch in den Hurt Locker: Maya, die zwar selbst nie handgreiflich wird, hat ihr Leben auf den Tod Bin Ladens ausgerichtet, sie würde dazu ein ganzes Haus wegbomben, ungeachtet unschuldiger Mitbewohner. Als es am Ende "mission accomplished" heißt, ist auch sie am Ende: Wie der Soldat in Tödliches Kommando, so existiert der Agent für den Krieg, geht darin auf. Und ohne solche Aufgabe kein Lebenssinn?

Derartige Aspekte hätte man im Film sicher stärker herausarbeiten können oder vielleicht gar sollen, so bleibt insgesamt viel Distanz bestehen, trotz überraschend spannender Erzählung, gekonnter Inszenierung und trefflicher Besetzung. Leider wird wie schon in Tödliches Kommando nicht auf eine etwas melodramatische und vor allem allzu absehbare Nebenhandlung verzichtet. Aber wenn es so gewesen sein soll...

ZERO DARK THIRTY von Kathryn Bigelow (R) und Mark Boal (B), USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Universal Pictures

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