Sonntag, 5. August 2012

The Raid (180 BPM in die Fresse)


20 Elite-Polizisten und 30 Stockwerke - dieser Bierdeckelplot des Filmplakats ist sogar noch übertrieben: Die Sondereinheit, die in das seit Jahren von gewalttätigen Verbrechern beherrschte Hochhaus vorrückt, besteht fast nur aus Neulingen, die schon bald die Radieschen von unten betrachten werden (wenn's die in Indonesien gibt). Und bereits im 15. Stockwerk wird Schluss sein, aber bis dahin lässt Regisseur Gareth Evans keinen Knochen ungebrochen. 2009 brachte er zusammen mit dem frisch entdeckten Hauptdarsteller Iko Uwais die Kampfkunst Silat in Merantau auf die Leinwand. Der Film war unübersehbar vom modernen Klassiker Ong-Bak inspiriert, konnte aber dem Vorbild nicht ganz das Wasser reichen.

Für The Raid konzentrierten sich Evans und Uwais auf den Kern des Martial-Arts-Films: Martial Arts. Es gibt keine friedvolle Rahmenhandlung mehr und der Protagonist - Uwais wirkt mit gestähltem Körper nun deutlich weniger zierlich - wird nicht zum Kämpfen genötigt. Kurze Eingangsszene, eine pathetische Ansprache des Anführers im gepanzerten Transporter (insgesamt eine schnoddrige deutsche Synchro), dann rücken die Cops schwer bewaffnet in das Hochhaus ein. Das Ziel: Den Oberschurken und seine beiden Handlanger erledigen, nebenbei das Gebäude vom Gesindel säubern.

Von energisch anheizendem Elektrorock begleitet kommt es bald zu den ersten Feuergefechten und der Einsatz eskaliert blutig. Schade: The Raid wandelt sich nun zu einem reinen Martial-Arts-Film, die satt röhrenden Sturmgewehre werden zurückgelassen - ein Heroic-Bloodshed-Spektaktel à la John Woo darf nicht erwartet werden. Aber dafür entfesselt Evans nun Uwais, der sich unaufhaltsam und einfallsreich durch die Stockwerke prügelt und dabei Massen von streitlustigen Gangstern erledigt (wahrscheinlich wurde jeder Kampfsportler angeheuert, den es am Drehort zu finden gab). Und diese Kampfszenen in ihrer Choreografie, Härte, "Echtheit" und Anzahl machen aus The Raid schlicht einen der besten Actionfilme der letzten Jahre!

Trotz des beschränkten Settings - das heruntergekommene Hochhaus - und der pfeilgeraden Story hält Evans die Spannung stets aufrecht: Die Action wird fortwährend variiert (mit und ohne Waffen, Einzel- und Gruppenkämpfe) und nach jeder der beeindruckenden Szenen gibt es ruhige Momente zum Luftholen. Doch schon bald setzt die famose Musik wieder ein, heizt langsam an und mündet explosiv im nächsten Fight. Die Kämpfe sind dabei trotz etwas wackeliger, aber bodenständiger Kameraführung (keine visuelle Schwerelosigkeit wie bspw. im Time and Tide-Wohnkomplex) überaus nachvollziehbar, der recht zurückhaltende Schnitt lässt der Action Zeit zu wirken und unterstreicht den gefühlten Realismus. Einzig das Auftreten mancher Gegner mag verwundern, die außerhalb des Bildes plötzlich aufzutauchen scheinen.

Obwohl die simpel-gewitzte Struktur von The Raid Ermüdungserscheinungen abwehrt, bedarf es einer Grundfaszination für pure Action, denn es mangelt dem Film an emotionaler Zuschauerbindung. Der Kampf zwischen Polizisten und Verbechern ist unpersönlich angelegt und um viel mehr als die bloße Räumung irgendeiner Schurkenbude geht es tatsächlich nicht; kleine Wendungen gegen Ende ziehen immerhin an entsprechenden Stellschrauben. Trotzdem: The Raid ist Action in Rein- und Höchstform, ein Genreweckruf in Ong-Bak'schen Ausmaß, aber verdichteter. Die Essenz des Martial-Arts-Film, kaum noch weiter reduzierbar. Dies dürften auch Gareth Evans und Iko Uwais erkannt haben und die Zeichen für den lange geplanten Berandal stehen auf Meisterwerk. Daran scheitert The Raid knapp - atemberaubend knapp.

THE RAID bzw. SERBUAN MAUT von Gareth Evans (R, B), Indonesien 2011, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Koch Media

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