Mittwoch, 5. Dezember 2012

Dredd (Doppelwumme?)


2 Elite-Polizisten und 200 Stockwerke - die Plotparallele zu The Raid ist unübersehbar: Judge Dredd (Karl Urban) untersucht mit der telepathisch begabten Anfängerin Anderson (Olivia Thirlby) einen Mordfall in einem titanischen Wohnblock. Damit keine Zeugen ihrer Drogengeschäfte zum Verhör abtransportiert werden, lässt die ansässige Unterweltchefin Ma-Ma (Lena Headey) das gesamte Gebäude abriegeln und ruft zur Kopfjagd auf die beiden Ordnungshüter.

Eine reduzierte Geschichte, die in einer ebenso knapp umrissenen Welt spielt: Im zukünftigen Nordamerika ist das Land verseucht und die endlose Mega-City One an der Ostküste eine der letzten Enklaven. Heimgesucht von zahllosen Verbrechen vereinen die "Judges" nun Polizei, Gericht und Strafvollzug in einer Person. Vom zivilisatorischen Verfall wird jedoch nur wenig abgebildet, die eindrucksvollen Stadtbilder aus der Vogelperspektive bleiben unkonkret. Da hatte tatsächlich die aufwändige Erstverfilmung des britischen Comics - Judge Dredd mit Sylvester Stallone - mehr von der verkommenen Welt gezeigt. Und auch mehr von der Hauptfigur, denn nun lässt Dredd seinen ikonischen Helm stets auf, Karl Urbans Kopf bleibt bis auf die grimmig verzogene Mundpartie verdeckt. Olivia Thirlby hingegen darf natürlich ihr hübsches Gesicht zeigen, was immerhin erklärt wird.

Bald müssen sich der hartgesottene Dredd und die unerfahrene Anderson gegen die heranstürmenden Gangsterhorden erwehren und nutzen ihre futuristischen Pistolen weidlich aus. In Dredd wird viel, schnell und blutig gestorben, mit angenehm zurückhaltendem CGI-Einsatz. Und auch die Zivilbevölkerung wird nicht verschont, wenn Ma-Ma die Geduld mit ihren unfähigen Untergebenen verliert und die großen Kaliber auspackt. Lena Headey spielt das Verbrecheroberhaupt herrlich distanziert-sadistisch, hätte jedoch mehr aktive Auftritte vertragen können.

Dredd kann als Komplementärwerk zum bereits erwähnten The Raid verstanden werden: Letzterer konzentrierte sich auf ausgeprägte Nahkampfszenen, in Dredd sind es zügige Schießereien. The Raid hatte einen langen Endfight, Dredd verweigert sich dem klassischen Showdown. Beide spielen in heruntergekommenen Bauwerken, einmal in der asiatischen Gegenwart, Dredd in einer dystopischen US-Zukunft. Der indonesische Actionkracher ist bodenständig inszeniert, während die Judges Schurken in Zeitlupe erledigen. Denn als visuelle Besonderheit wird die Wirkung der Droge "Slo-Mo" durch extrem verlangsamte Szenen samt knalliger Farben illustriert, ästhetisch-stilisierte Bilder, die auch für brutale Schussverletzungen benutzt werden. Überstrapaziert wird dies nicht, es hätte gar noch eine Actionszene mehr solcher Art nicht gestört. Und in diesen Abschnitten ist das 3D halbwegs sinnvoll, ansonsten unauffällig bis störend. Wie immer.

Spielen aber nun The Raid und Dredd in derselben Liga? Wer keine Übersättigung durch die Dauerkämpfe bei The Raid verspürte, dürfte hier nur bedingt beeindruckt sein. Abgesehen von geschilderten Slo-Mo-Sequenzen sind die Schusswechsel leider recht konventionell gefilmt und zu schnell vorbei. Basslastige Beats heizen wie bei The Raid an, aber der Kick in Dredd ist oft kurz oder schwach - gestreckte Actiondroge? Zudem wagt Dredd zu selten den letzten Schritt bei der Gewaltdarstellung, trotz der verkommenen und schonungslosen Welt. Man könnte die Schießereien zu Beginn von The Raid gar als packender empfinden, obwohl dort nur mit herkömmlichen Waffen hantiert wurde. Die Geschichte stellt sich in Dredd auch nicht ausgefeilter dar, die Telepathie von Anderson als eher unnötiges Beiwerk.

Dredd ist ein visuell interessanter, kompakter und düsterer Actionfilm mit coolen Protagonisten, aufwändiger und nominell abwechslungsreicher als The Raid. Jedoch erreicht die Comicadaption zu selten die Intensität von Gareth Evans' außergewöhnlichem Martial-Arts-Extrakt. Ohne diesen Direktvergleich mag Dredd mehr überzeugen, gelungen ist er nichtsdestotrotz.

DREDD 3D von Pete Travis (R) und Alex Garland (B), UK/USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Universum Film/Lionsgate

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