Dienstag, 28. August 2012

Prometheus - Dunkle Zeichen [Doppelkritik]


Ridley Scotts Prometheus darf sicherlich als einer der am meisten ersehnten Filme des Jahres bezeichnet werden, zumindest im Phantastikbereich. Unter der Bürde der Alien-Filme polarisiert das vorliegende Werk nun, auch uns ZFX-Schreiber, daher erstmals eine Doppelkritik.

I. "Bad Scientists" von HomiSite (2D)


Am Beginn seiner Kinokarriere vor mehr als 30 Jahren führte Ridley Scott Regie bei Alien und Blade Runner - zwei Meilensteine des Science-Fiction-Genres innerhalb von vier Jahren. Aus Alien wurde eine "Quadrilogy" mit vier sehr unterschiedlichen Filmen, der letzte entstand 1997, qualitativ aufgerieben zwischen Hollywood und Frankreich. Prometheus nun verzichtet auf den Namensbezug zur Reihe und wurde zuletzt diffus als eigenständiges Werk im Alien-Universum beworben. Der Film ist jedoch eine Art Prequel. Und misslungen.

Auf der Erde des späten 21. Jahrhunderts entdeckt das Forscherpärchen Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) in Malereien archaischer Völker immer wieder die Darstellung einer fernen Planetenkonstellation samt riesenhafter Menschen. Eine Einladung? Davon überzeugen sie den Großindustriellen Weyland (Guy Pearce), der sie deshalb auf eine billionenteure Reise zu den Sternen schickt...

Die Besatzung des Raumschiffs wird auf fremde Lebensformen stoßen und wenig Gastfreundschaft erfahren, das ist keine Überraschung für den Zuschauer. Die parasitäre Natur der "Xenomorphe" ist popkulturelles Allgemeinwissen. Und dass außerirdische Humanoide existieren, die offenbar das Leben auf der Erde erschufen, enthüllt Prometheus bereits in der plakativen Eingangsszene. Der gedankliche Sprung, dass auch die bekannten Aliens erschaffen wurden, ist somit nur ein müder Hüpfer. Wovon wird Ridley Scott also in den nächsten zwei Stunden noch erzählen? Vom Versagen der Wissenschaft, garniert mit etwas Schöpfungsgeschichte.

Bei Erreichen des Zielplaneten (ein anderer als in Alien!) erweckt der bald als Android identifizierte David (Michael Fassbender) nach einer an Moon erinnerenden Sequenz die illustre Crew aus dem Kälteschlaf. Und dann beginnt der Wettlauf, wer sich am leichtsinnigsten und inkompetentesten benehmen kann und gleichzeitig möglichst unbeeindruckt von einer der größten Entdeckung der Menschheit - Außerirdische - wirkt. Jegliche dramaturgische Zuspitzung beruht auf schwerlich nachvollziehbaren Verhaltensweisen der Figuren. In der zweiten Hälfte wirken zudem Szenen lieblos aneinander geklatscht und verlieren so an emotionaler Wirkung. Wenig überraschend, dass jede bedeutende Wendung bereits im Vorweg absehbar ist - das Drehbuch erschreckt nicht mit unheimlichen Einfällen, sondern ob seiner unverschämten Nachlässigkeit.

Die Mehrzahl der an sich interessanten Charaktere (z.B. Sean Harris als Geologe Fifield sowie Idris Elba als Captain Janek) wird nach geruhsamer Einführung überhastet verheizt oder vergessen, um später verheizt zu werden. Im Zentrum stehen schließlich Elizabeth Shaw, David - dessen wahre Absichten vom kongenialen Grinsen Fassbenders nur unzureichend verborgen werden - und die kühle Weyland-Vertreterin Meredith Vickers, oft abwesend und verkörpert von einer in enge Klamotten gekleideten Charlize Theron. Ebenfalls sehr schön anzuschauen sind die beeindruckend perfekt umgesetzten Spezialeffekte, Landschaften und Sets, die aber leider des Öfteren zu glatt, sauber und hell daherkommen.

Prometheus ist ein technisches Blendwerk, das immerhin stringent seine dezent Thing'sche Action abspult und auf endlos ausdiskutierte Erklärungen verzichtet, jedoch die mitschwingenden Fragen um Herkunft, Glaube und Macht auch bloß anschneidet oder mögliche Antworten gleich in einen platt in Aussicht gestellten Nachfolger verschiebt. Der Mehrwert für die Alien-Mythologie ist überschaubar, der Anschluss an die Reihe hinkt und überdies kratzt der Film an HR Gigers Kreatur. Der deutsche Untertitel ist Programm: Kein Feuerbringer fürs SF-Genre.

II. "Pro Metheus" von Tobberich (3D)


Ich muss zugeben, im Alien-Universum bin ich nicht wirklich zu Hause. Okay, der Name Ripley sagt mir etwas und mein popkulturelles Grundwissen reicht insoweit aus, als dass ich die Saga in ihren groben Umrissen kenne, ohne im Detail mit ihr vertraut zu sein. Den Hype um Prometheus, bei dem zumindest mir lange Zeit nicht klar war, ob es sich um ein Prequel, einen eigenständigen Film oder um irgend etwas dazwischen handelt, habe ich am Rande registriert, ohne in zu große Euphorie ob des nahenden Kinostarts zu verfallen.

Die Story wurde oben bereits kurz umrissen: Forscher finden auf der Erde Zeichen für außerirdisches Leben und starten eine Weltraummission, um mit den fremden Wesen, die eventuell die Schöpfer der Menschheit sind, in Kontakt zu treten. Damit beginnt einer der für mich besten Science-Fiction-Filme der vergangenen Jahre, neben cineastischen Kleinoden abseits des Mainstream wie Moon oder District 9.

Ridley Scott inszeniert seine Dystopie in kalten, monochromen Farben. Die zerklüfteten Landschaften werden in ruhigen Kamerafahrten eingeführt und zwischen den britischen Inseln und dem fremden Planeten, auf dem die Wissenschaftler nach Jahren im Kälteschlaf landen, gibt es optisch kaum Unterschiede. Die scheinbaren Schöpfer der Menschheit könnten also von einem Planeten stammen, der ganz ähnlich unserem ist.

Die einführenden Szenen, in denen der Android David die noch schlafenden Wissenschaftler bewacht und bei Ankunft auf dem fremden Planeten aufweckt, sind von meditativer Schönheit. Die Sterilität der Szenerie erweckt starke Assoziationen zu 2001: Odyssee im Weltraum. Auch im weiteren Verlauf der Handlung bleibt diese Analogie evident, David entpuppt sich trotz seines computergesteuerten Inneren als verstörend manipulative, janusköpfige Figur. In seiner kühlen Boshaftigkeit steht er in einer Linie mit HAL 9000 aus Stanley Kubricks pessimistischer Zukunftsvision. Michael Fassbender zeigt eine beeindruckende Darstellung dieses Wesens, das gespalten ist von dem Zwang seinen Schöpfern zu dienen und seiner primären Aufgabe, Kontakt zu den fremden Wesen herzustellen.

Auf Darstellerseite stellt Noomi Rapace als Wissenschaftlerin Elizabeth Shaw einen weiteren Höhepunkt dar. Schon in der Millennium-Tilogie strahlte sie eine düstere Faszination aus und langsam scheint sie sich auch in amerikanischen Filmen zu etablieren. Enttäuschend hingegen Charlize Theron, die als kühle Meredith Vickers etwas zu unbeteiligt am Geschehen wirkt.

Leider - und hier muss ich HomiSites obige Kritik unterstreichen - ist das Drehbuch dramaturgisch nicht über jeden Zweifel erhaben, die Motivation der Figuren nicht immer klar. So ist der Captain des Raumschiffes völlig desinteressiert an der Erkundungsmission auf dem Planeten und dem Verbleib zweier Crewmitglieder nach einem Außeneinsatz, die es wegen eines Sturms nicht wieder zurück in das schützende Schiff geschafft haben. Auch die Erzählkurve steuert nicht auf einen Höhepunkt hin, sondern bleibt im Spannungsverlauf lange Zeit flach.

Deswegen Prometheus als technisches Blendwerk zu bezeichnen, halte ich jedoch für überzogen. Es trägt zur mystischen Stimmung bei, dass nicht alle offenen Fragen eindeutig ausdiskutiert werden.  Komplexe Fragestellungen wie die Herkunft allen Lebens sollten Raum für eigene Interpretationen lassen. Für Filmfreunde, die nicht tief in der Alien-Saga verhaftet sind, wird ein fehlender Mehrwert zu verkraften sein. Die fesselnde Atmosphäre, die geniale Darstellung von Michael Fassbender und ein faszinierender Soundtrack sind schlagende Argumente, um sich Prometheus im Kino anzuschauen.

PROMETHEUS - DUNKLE ZEICHEN von Ridley Scott (R), Jon Spaihts (B) und Damon Lindelof (B), USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © 20th Century Fox

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