Donnerstag, 26. April 2012

Chronicle (Holzhammer gegen Spinne)


Drei Schulkameraden finden in einem Erdloch eine Kristallformation, die ihnen telekinetische Kräfte gibt. Durch die gemeinsamen Fähigkeiten werden sie zu engen Freunden, aber ihre stetig anwachsende Macht führt schließlich zu Spannungen...

Der deutsche Untertitel "Wozu bist du fähig?" deutet es an: In Chronicle spielt nicht nur das Ausmaß der Superkräfte eine Rolle, sondern auch Art und Zweck ihrer Anwendung. Dies ist nun aber keinesfalls ein neues Motiv, in vielen Superheldenfilmen geht es mal mehr, mal weniger um diese moralische Grundfrage, sei es bei den klassischen Charakteren aus Marvel- und DC-Comics oder Nobodys in Kick-Ass und Super (in denen es aber strenggenommen keine Superkräfte gibt). Chronicle konzentriert sich auf die "Heldengruppe" und deren soziale Stellung. Protagonist Andrew (Dane DeHaan) ist ein white-trashiger Nerd, während der farbige Steve (Michael B. Jordan) beliebt und wohlhabend ist. Jedoch übertreibt es der Film hierbei, denn Andrew hat zudem eine schwerkranke Mutter (Bo Petersen), einen arbeitsunfähigen Alkoholiker als Vater (Michael Kelly) und wird in der Schule als unbeliebter Außenseiter gemobbt. Da ist es wenig hilfreich, dass er zu Beginn sich eine Kamera besorgt und von nun an alles aufzeichnet - Chronicle ist im Blair Witch Project-Stil gefilmt. Vorteilhaft, dass dank Telekinese die Kamera sich trotzdem bald ungebunden bewegen kann.

Andrew kommt am besten mit seinen Kräften zurecht und nach viel gemein- und unterhaltsamem Unsinn ("Boys will be boys") macht er dank Steve und eines Talentwettbewerbs der Schule einen großen Sprung nach oben auf der Beliebtheitsleiter. Dass der Dritte im Bunde, Matt (Alex Russell), kein Problem damit hat, dass durch die öffentliche Nutzung ihrer Fähigkeiten die von ihm aufgestellten Regeln gebrochen werden, zeigt auf das Kernproblem von Chronicle: Viele Motive werden nur angerissen, halbherzig oder sprunghaft verfolgt. Das schließliche Zerbrechen der Freundschaft erscheint nicht zwingend, Aspekte wie Nasenbluten beim Einsatz der Telekinese dienen am Ende nur dem Verketten der Handlung. Es wirkt, als ob die Macher des Films die typischen Bestandteile eines dekonstruktivistischen Superheldenfilms als großflächige Grundierung ins Drehbuch geschrieben hätten, sich aber dann doch auf die Darstellung der Fähigkeiten konzentrieren wollten. Und trotz ein paar durchwachsener Spezialeffekte geraten dann auch die meisten Szenen mit Superkräften, insbesondere das Finale mit seiner schwerelosen und doch beinahe bodenständig wirkenden Zerstörungsorgie sehr eindrucksvoll.

Chronicle mag man ferner als kritischen Teenager-Film über Mobbing, Außenseitertum und auch Amokläufe sehen, nur wird dies wie vieles entweder nicht zu Ende gedacht oder überdeutlich präsentiert. Andrews Haltung zu seinen Kräften zeugt von seinem eher bescheidenen Intellekt: Während er mit den angelesenen Philosophie-Statements seines Cousins Matt nichts anzufangen weiß, schnappt er schließlich irgendwo den Begriff des Spitzenprädators auf. Aufgrund seiner Fähigkeiten sieht es sich als so einer - Übermensch dank Superkräfte? Menschen würden eine Fliege ohne Gewissensbisse zerquetschen, das müsse irgend etwas bedeuten. Die Antwort bleibt aus.

Der Filmtitel, übersetzt Chronik oder Aufzeichnung, erscheint etwas diffus. Andrew beginnt sein Filmprojekt aus von ihm nicht näher erläuterten Gründen (evtl. als Schutzmauer gegen die Welt, wie er einmal mehr im Scherz sagt). Am Ende dürfte er sich in seinen selbstverliebten Allmachtsphantasien filmen, denn vor einem Publikum - dem der Talentshow - hatte er den höchsten Beliebtheitsgrad erreicht. Im weiteren Verlauf werden weitere Bildquellen wie Überwachungs- und Handykameras benutzt, doch es fehlt eine Einordnung, was der Zuschauer nun genau sieht. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine einzelne Person Zugriff auf all diese Aufnahmen hatte und daraus die vorliegende "Dokumentation" schuf.

Abschließend ist Chronicle leider als ein an sich selbst gescheiterter Genrebeitrag zu betrachten, obwohl er einige sehr gelungene, witzige und später dramatische Szenen bietet und beileibe kein schlechter Film ist. Nur eine richtige Einheit erreicht Chronicle nicht (die wenig überzeugende Synchro von Andrew trägt ihren Teil dazu bei). 

CHRONICLE von Josh Trank (R) und Max Landis (B), USA 2012, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © 20th Century Fox

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