• 20.000 Days on Earth

    Nick Cave über Nick Cave mit Nick Cave...

  • Under the Skin

    Scarlett Johansson auf Männerjagd in Schottland, irgendwie...

  • Transformers: Ära des Untergangs

    Michael Bay, Riesenroboter und Langeweile...

Freitag, 24. Oktober 2014

20.000 Days on Earth


Seine Biografie enthalte nicht die Wahrheit, erklärt Nick Cave seiner Mitfahrerin Kylie Minogue. Seine Liedtexte seien Mythologisierungen von Wahrem, sagt der Musiker an anderer Stelle. Und damit ist 20.000 Days on Earth trefflich beschrieben - ein Film über Nick Cave, in dem der Künstler selbst am häufigsten zu Wort kommt. Er spricht mal über seine Vergangenheit, mal mit früheren Weggefährten und viel über seine Musik und Dichtung.

Nick Caves Leben wird in 20.000 Days on Earth nicht genau nachgezeichnet, der biografische Anteil bleibt anekdoten- wie lückenhaft. Und wie sehr inszeniert manche der dokumentarisch wirkenden Szenen tatsächlich sind, bleibt ebenso unscharf. Doch gerade in dieser Verweigerung, die "Wahrheit" berichten oder einen authentischen Tag im Leben des Sängers zeichnen zu wollen, liegt die Stärke des Films. Man bekommt verschiedene Anhaltspunkte, um sich ein eigenes Bild vom Leben und Wirken Caves machen zu können. Und den Eindruck, ohne Verständnis seiner Liedtexte doch stets außen vor bleiben zu müssen (gerade die Gesangseinlagen sind in der deutschen Version nicht untertitelt).

So wird der von waberndem Sound unterlegte und verdichtend montierte Film dem Künstler, der Kunstfigur und auch dem Menschen gerecht in seiner Bruchstückhaftigkeit und findet seinen Höhepunkt in intensiven Auftritten von Nick Cave and the Bad Seeds.

20.000 DAYS ON EARTH von Iain Forsyth (R, B), Jane Pollard (R, B) und Nick Cave (B), UK 2014, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Rapid Eye Movies

Freitag, 10. Oktober 2014

Under the Skin

Under the Skin erzählt wenig und erklärt nichts. Und er zeigt oft nichts - gefühlt minutenlange Einstellungen ohne Bewegung, nicht von der Kamera, auch nicht im Bild. Oder es ist überhaupt nichts zu sehen außer Schwärze. Vielleicht damit der Zuschauer narrative Leerstellen im Geiste füllen kann. Erfüllend ist dies jedoch nur bedingt, denn Under the Skin ist kein Film des Inhalts, die Ansatzspunkte zur Interpretation erscheinen ebenso umfänglich wie flach.

Under the Skin ist stattdessen ein Film der Bilder und der Töne. Langsam, diffus als auch offensichtlich beginnt der Film im Weltraum und man mag an die Eröffnung von Terrence Malicks The Tree of Life denken. Doch statt erhabenem Gesang wummern hier Geräusche, die als Lärm bezeichnet werden könnten - nicht zum letzten Mal. Die Bilder des Films wechseln zwischen artifiziellen Sequenzen und der fast dokumentarisch festgehaltenen Autofahrt Scarlett Johanssons durchs raue Schottland. Sie sucht Männer, einsame Männer, und verlockt diese mit der Aussicht auf unerwarteten Sex. Immer wieder und ausschließlich, mehr scheint die Namenlose nicht zu tun.

Under the Skin fordert den Zuschauer, nicht vom Verstand, sondern von der Ausdauer her. Das kann man dem Film positiv als auch negativ anrechnen. Er überrascht mit seinen Bildern, gibt sich jedoch nicht dem fortwährenden Farbrausch hin. Er lockt mit Scarlett Johanssons in dichtem Haar fast verschwindenden Gesicht und verweist damit fast schon dreist auf seinen Plot.

Under the Skin ist ein Erlebnis, das ohne Vorkenntnisse auf der großen Leinwand erfahren werden sollte (das teils unverständliche schottische Englisch passt gar zur allgemeinen Wortkargheit). Aber wenn der Zuschauer abseits des gängigen Blockbuster- und Arthouse-Kinos etwas bewandert ist, so ist es kein Film, der verstört. Emotional versucht er es nicht einmal ernsthaft und audiovisuell setzt Regisseur Jonathan Glazer (Sexy Beast) auf gezielte Reize. Kein "Mindfuck", sondern ein schleichender Trip mit harten Spitzen.

UNDER THE SKIN von Jonathan Glazer (R, B) und Walter Campbell (B), UK/USA/Schweiz 2013, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Film4/BFI/Senator

Dienstag, 9. September 2014

Transformers: Ära des Untergangs


Eine Ära des Untergangs - diese läutet Regisseur Michael Bay mit dem vierten Teil der Transformers-Reihe höchstselbst ein für das moderne US-Blockbuster-Kino, welches er einst nachhaltig prägte. Hinter den grellen Explosionen, fliegenden Autos und rollenden Robotern ein Film der Leere, hinter der krawalligen Rasanz seiner Inszenierung lauert Stillstand. Nach drei Filmen mit den sich in Fahrzeuge verwandelnden Transformers aus dem Weltall weiß Michael Bay nichts Bedeutsames mehr zu erzählen oder zu zeigen.

Die Vorgänger waren schon keine qualitativ guten Filme, gewannen jedoch zumindest an Unterhaltungswert durch wirre Handlung, aufgesetzte Dramatik und bis in Surreale abdriftende Szenen und Dialoge. Ära des Untergangs stellt nun eine Art Mini-Reboot dar, der insgesamt gemäßigter erscheint. Jungspund Shia LaBeouf und Konsorten flogen raus und Mark Wahlberg übernimmt. Seine Figur Cade Yeager (!?) ist der wohl unfähigste Ingenieur und Erfinder in ganz Texas, blüht aber bei der Reparatur von Schrottimus Prime auf. Ungünstig, dass Amerika mittlerweile alle Transformers jagt und in Kooperation mit dem Riesenkonzern von Joshua Joyce (Stanley Tucci) eigene Kampfroboter zusammenbaut. Also rücken schwarze Geheimdienstwagen an, die Lage eskaliert, irgend etwas explodiert und schon müssen Yeager und seine Tochter Tessa (Nicola Peltz, nicht so künstlich wie frühere Begleiterinnen) von ihrer Farm mit Optimus Primes Hilfe fliehen.

Es folgt eine Autoverfolgungsjagd, die exemplarisch für die Action des Films steht: Erkennbar aufwändig und rasant gefilmt, aber kaum mitreißend. Immerhin sind Kamera und Schnitt für Bay-Verhältnisse eher ruhig, dies wird jedoch in den späteren Roboterscharmützeln durch absolute Hektik innerhalb des Bildes negiert, weswegen besondere Actionszenen dann auch in Zeitlupe gezeigt werden. Irritierend: Trotz all der Explosionen und Kämpfe geht erstaunlich wenig kaputt, man freut sich geradezu, wenn mal eine offenbar "echte" Explosion ein Haus zerlegt oder die Transformers tatsächlich Verwüstungsspuren in der urbanen Umwelt hinterlassen.

Die also oft wenig aufsehenerregende Action wird dabei von einer Geschichte mit (zu) vielen Parteien verbunden, welche zwar nicht mehr ganz so bizarr wie in den Vorläuferteilen, aber weiterhin aneinandergeklatscht wirkt. Der Film kommt auf eine ermüdende Laufzeit von über zweieinhalb Stunden und lässt trotzdem viele Szenenwechsel geradezu elliptisch erscheinen. Ebenso sprunghaft wechselt der Stil der Bilder - immerhin weiß Bay noch, wie man stimmige Einstellungen erzeugt.

Bemerkenswert an der Handlung ist die Abwesenheit des US-Militärs, das durch Black-Ops-Einheiten ersetzt wurde. Aus deren rabiater Vorgehensweise lässt sich ein platter Kommentar zu den Geheimdienstenthüllungen der letzten Monate ableiten. Genauso dünn ist übrigens der Part von Yeagers Tochter Tessa, die anfangs noch in kurzen Shorts herumläuft, aber eigentlich die Hosen an hat im Haushalt. Sobald die Lage eskaliert, darf sie immerhin normale Jeans tragen, ansonsten aber nur noch verängstigt nach ihrem Dad oder ihrem Freund (Jack Reynor) rufen. Die Transformers selbst spielen als Charaktere keine große Rolle, alle interessanten Momente wie Zweifel und Streit unter den Autobots werden schnell wieder einer Nibelungentreue zu ihrem Anführer untergeordnet.

Zum Abschluss müssen noch das Dauergequassel der deutschen Synchronisation moniert werden (die Kommentare des Comic Relief Joshua Joyce gefallen jedoch), die unerträglich dumm-pathetischen Aussprüche von Optimus Prime sowie das lächerliche Schwertgewehr, mit dem Mark Wahlberg herumfuchteln muss.

Transformers: Ära des Untergangs ist spätestens nach drei Vorgängern überflüssig, so ziel- wie lustlos und oft geradezu ermüdend. Und allerwenigstens langweilig sollte ein Action-Blockbuster eigentlich nicht sein.

TRANSFORMERS: ÄRA DES UNTERGANGS bzw. TRANSFORMERS: AGE OF EXTINCTION von Michael Bay (R) und Ehren Kruger (B), USA 2014, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Paramount

Freitag, 14. März 2014

300: Rise of an Empire

Sieben Jahre dauerte es, bis Zack Snyders 300 eine Fortsetzung erhielt. Zwar war die Verfilmung des gleichnamigen Frank-Miller-Comics einer der erfolgreichsten Kinostarts 2007, aber die Geschichte weitgehend abgeschlossen - 299 Spartaner tot (Spoiler?). Wie gut, dass es damals nicht nur eine Schlacht bei den Thermopylen gab, sondern im Abwehrkampf gegen die Perser ungefähr zeitgleich die Seeschlacht bei Artemision.

Der Kriegsheld Themistokles (Sullivan Stapleton) versucht, eine griechische Armada aufzustellen und die nahende Perserflotte auf dem Meer aufzuhalten. Seine Überzeugungskraft kann leider nicht mit der seines gut aussehenden Körpers mithalten. Und so stellt er sich mit nur wenigen Schiffen, aber viel Kriegslist der riesigen Übermacht.

Rise of an Empire bietet mit Blick auf 300 eine ähnliche Ausgangslage als auch vergleichbare Erzählstränge: Statt der Geschichte Spartas wird nun eingangs der Ursprung des Perserkönigs Xerxes (Rodrigo Santoro) geschildert und die politischen Ränkespiele an der spartanischen Heimatfront werden durch griechische Verhandlungen um Kriegsbeitritt ersetzt. Beides dient vor allem dazu, die überlebenden Figuren bzw. Schauspieler aus 300 erneut aufzufahren.

Für die Haupthandlung sind die wiederkehrenden Charaktere wie Königin Gorgo (Lena Headey) und selbst Xerxes von geringer Bedeutung, der große Gegner Themistokles' ist Artemisia (Eva Green), die Kommandantin der persischen Flotte. Und Eva Green gibt wieder einmal alles: Die Inkompetenz ihrer Kapitäne nimmt sie gelangweilt und angenervt zur Kenntnis und rollt dabei mit ihren flackernden Augen. Statt sich aber später zu entkleiden, hätte ihr finaler Kampf ausführlicher und spektakulärer sein sollen. (Okay, bitte beides! :-)

Womit endlich der eigentliche Kern der 300-Filme angesprochen wurde: Stilisierte Scharmützel vor kunstvoll verfremdeten CGI-Kulissen, halbnackte Männer im Todestanz zu energischer Musik, schwelgende Zeitlupen. All dies funktioniert hier hervorragend, ist jedoch seit 300 und der Spartacus-Fernsehserie nicht mehr neu (letztere zelebriert die Gewalt stärker, während in Rise of an Empire "nur" roter Lebenssaft aus dem Computer spritzt).

Ein dramaturgisches Problem sind die Seekämpfe selbst: Zwar sehen tosende Wellen und brechendes Holz toll aus - das wie immer mäßig sinnvolle 3D schluckt viel Helligkeit -, aber die Kämpfe Mann gegen Mann drohen dabei unterzugehen. Denn in 300 führten die Perser wie in einem Videospiel immer stärkere Gegner ins Feld, hier ist eine solche Steigerung leider kaum zu finden, einschließlich des wie erwähnt genügsamen Showdowns.

Und noch etwas fehlt: 300 verbreitete das strittige Welt- und Menschenbild der Spartaner in völlig überhöhten, aber dadurch umso unterhaltsameren Monologen und Ansprachen. Bei Themistokles' gemäßigteren Griechen ist davon nicht mehr viel zu spüren, was zum Teil auch an der etwas leidenschaftslosen Synchronisation liegen mag.

Alles in allem ist Rise of an Empire für diejenigen empfehlenswert, die schon 300 mochten. Die Fortsetzung macht zwar nur wenig besser und einiges schlechter, aber das meiste ähnlich - ohne hohen Anspruch werden niedere Gelüste angesprochen. Und warum auch nicht.

300: RISE OF AN EMPIRE von Noam Murro (R), Zack Snyder (B) und Kurt Johnstad (B), USA 2014, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © Warner Bros.

Samstag, 1. März 2014

Das finstere Tal

Zwei Pferde, ein Mann. Der Reiter (Sam Riley) erreicht Anfang des 20. Jahrhunderts kurz vor dem ersten Schnee ein abgelegenes Alpental. Misstrauische Bewohner erwarten ihn dort, Nebel und Schlamm. Der Unterschied zum Italowestern und dessen verkommenen Siedlungen, in denen Wildnis und Zivilisation um die Vorherrschaft ringen, ist klein. Land und Leute wolle der wortkarge Neuling namens Greider festhalten, mit moderner Fototechnik. Die Überwinterung wird ihm gestattet, denn im Tal entscheiden der Bauer Brenner (Hans-Michael Rehberg) und seine Söhne (Tobias Moretti u.a.). Die Hochzeit der jungen Luzi (Paula Beer) steht alsbald an, doch die Stimmung ist gedämpft. Da kommt es zum ersten Todesfall...

Das finstere Tal ist kein Film der Überraschungen. Der Titel selbst impliziert Abgründe und noch bevor Greider auftritt, werden düstere Vorgänge angedeutet. Und allein, dass ein Fremder in einem Ort mit einseitigen Machtverhältnissen erscheint, dürfte nicht nur Western-Veteranen auf das Kommende vorbereiten. Bis dahin vergeht jedoch einige Zeit. Wie der Winter das Land, so hat die behutsame und wortkarge Alltagsschilderung im Tal den Film in Beschlag genommen. Und so wie der Frühling zunehmend herbeigesehnt wird, erwartet der Zuschauer das Ausbrechen der Gewalt.

Diese kommt, aber zuerst beiläufiger, versteckter, kleiner. Wie vieles in Das finstere Tal, diesem Western im Herzen Europas, kleiner ist als in der weitläufigen Prärie Amerikas: Die Familien-Bande besteht nur aus einer Handvoll Personen und mit Pistolen am Gürtel läuft niemand herum. Sam Riley als Greider ist alles, nur kein harter Cowboy; man wundert sich fast über seinen (sorgfältig entfernten) Bartwuchs. Die spärlichen Ansiedlungen im Tal bilden nur wenige urige Häusern, gedrungene und gleichzeitig gewaltige Holzklötze, doch im Innern hängen alle Decken niedrig.

Zum Ausgleich beeindruckt das Gebirgspanorama der umliegenden Alpen, wenn nicht gerade schlechtes Wetter erneut die Sicht behindert. Umso mehr ist dann das Gehör gefordert. Brachial ächzen die Holzbalken, jeder Schritt im Schnee knirscht gewaltig, der Wind pfeift. Hinzu kommt in ausgewählten Momenten basslastige und alles überlagernde Musik. Und wenn schließlich die Gewehre die lärmende Stille unterbrechen, verteilen sich Blut und Schmerzensschreie im Tal.

So geht Das finstere Tal dann weitgehend wie erwartet zu Ende, Greider hinterlässt gesellschaftlichen Fortschritt im Tal, so ist zu hoffen. Erzählerisch ist der Film daher weniger interessant, auch die Action ist zwar intensiv, aber kurz. Doch die Atmosphäre dieses entschleunigten Westerns der verschobenen Art ist absolut einnehmend, Bild und Ton stechen hervor - allein wegen der österreichischen Sprache, die den Zuschauer selbst zum Fremden im Tal macht.

DAS FINSTERE TAL von Andreas Prochaska (R, B) und Martin Ambrosch (B), Österreich/Deutschland 2014, IMDb, RT, FZ. Bildrechte: © X Verleih